Eine Gruppe von acht Jugendlichen steht und sitzt lachend in einem Park. Sie unterhalten sich, einige halten Smartphones in der Hand. Die Stimmung ist fröhlich und unbeschwert. Im Hintergrund sind Bäume und Grünflächen zu sehen.
Gemini 2.0

Im Zeitalter von Smartphones, Messenger-Diensten und sozialen Netzwerken scheint es einfacher denn je, mit anderen in Kontakt zu bleiben. Ein kurzer Klick, ein Emoji, eine Sprachnachricht – und schon ist man „verbunden“. Vor allem Jugendliche bewegen sich heute wie selbstverständlich zwischen digitaler und realer Welt. Doch was bedeutet das für ihre Freundschaften?

Wird ein virtuelles „Wie geht’s?“ genauso empfunden wie ein echtes Gespräch auf dem Pausenhof? Und wo verläuft die Grenze zwischen praktischer Vernetzung und sozialer Vereinsamung? Der folgende Bericht beleuchtet, wie Jugendliche heute ihre sozialen Beziehungen pflegen – und was Expertinnen und Experten dazu sagen.

Heutzutage werden Verabredungen per WhatsApp ausgemacht und Neuigkeiten in Instagram-Stories geteilt – die Jugend von heute ist so vernetzt wie keine Generation zuvor. Virtuelle Kommunikation gehört zum Alltag, und nicht selten ersetzt der Chat das persönliche Treffen. Eine aktuelle US-Studie unter 1000 Teenagern zeigt: 61 % der 13- bis 17-Jährigen unterhalten sich lieber per Textnachricht, Videochat oder Social Media mit Freunden, als sich von Angesicht zu Angesicht zu treffen. Nur 32 % bevorzugen das direkte Gespräch – 2012 lag dieser Anteil noch bei knapp der Hälfte. Die Tendenz ist eindeutig: Digitale Kontakte gewinnen an Stellenwert, während die klassische „Face-to-Face“-Zeit abnimmt.

Infolge dieser Digitalisierung des Alltags wandelt sich auch die Definition von Freundschaft. „Wir erleben möglicherweise einen fundamentalen Wandel darin, wie wir miteinander umgehen“, sagt die US-Medienforscherin Vicky Rideout zu den neuen Befragungsergebnissen. Smartphones und soziale Medien ermöglichen ständigen Austausch: Inzwischen besitzen fast 90 % der amerikanischen Teenager ein Smartphone – 2012 waren es erst 41 % –, und über zwei Drittel nutzen Social-Media-Plattformen mehrmals täglich. Auch in Deutschland dürfte der Anteil der „immer online“ Jugendlichen ähnlich hoch liegen, wie hiesige Studien zur Mediennutzung nahelegen. Dank Handy und Apps können junge Leute theoretisch jederzeit in Kontakt bleiben – was gerade während der Corona-Lockdowns vielen als soziale Rettungsleine diente.

Dennoch betrachten Psychologinnen, Soziologen und Pädagoginnen diese Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Häufig geäußert wird die Sorge, dass Online-Kontakte echte Begegnungen nicht vollständig ersetzen – und im schlimmsten Fall verdrängen. Jugendliche mögen das Tippen bevorzugen, aber es geht auf Kosten der persönlichen Beziehungen, konstatiert etwa eine Analyse der Organisation Common Sense Media. Tatsächlich geben 44 % der Teenager selbst zu, genervt zu sein, wenn Freunde beim Treffen ständig am Handy hängen; und noch mehr (54 %) räumen ein, sich oft nur schwer vom eigenen Bildschirm losreißen zu können, selbst wenn sie eigentlich gerade real mit jemandem zusammen sind. Sozialforscher warnen, dass bei ausschließlicher Bildschirm-Kommunikation wichtige soziale Kompetenzen verkümmern könnten – Gestik, Mimik und unmittelbare Rückmeldungen fehlen, was Empathie und Konfliktfähigkeit erschwert. Außerdem verschwimmen die Grenzen zwischen oberflächlichen „Kontakten“ und echten Vertrauten: In sozialen Netzwerken zählt oft die Freundeszahl, doch Studien zeigen, dass von den teils Hunderte umfassenden Online-Bekanntschaften nur wenige wirklich enge Freunde sind. Viele junge Nutzer ahnen diese Defizite und schätzen reale Treffen wegen der intensiveren Erfahrung – empfinden sie aber zugleich als aufwendiger und weniger niederschwellig als einen schnellen Chat.

So einfach die virtuelle Welt echte Nähe nicht ersetzen kann, so bietet sie Jugendlichen doch neue Chancen. Besonders schüchternen oder räumlich getrennten Freunden ermöglicht das Internet, in Kontakt zu bleiben. Über Chats und Videotelefonie lassen sich Meinungen austauschen, Trost spenden und gemeinsame Interessen teilen, auch ohne im selben Ort zu sein. Viele Jugendliche fühlen sich durch soziale Medien sogar unterstützt: Rund jeder Fünfte gab in einer Befragung an, dank Instagram, WhatsApp & Co. beliebter und selbstbewusster zu sein – und zugleich weniger einsam oder niedergeschlagen. Sogar unter den ohnehin schon deprimierten Jugendlichen meinten die meisten, dass ihnen Social Media eher hilft als schadet, berichtet Rideout. Nicht zuletzt dienen Messenger und Gruppenchats oft ganz pragmatisch dazu, Verabredungen zu organisieren oder Freundschaften über Distanz zu pflegen, die man offline sonst aus den Augen verloren hätte. Virtuelle Interaktionen können reale Beziehungen also durchaus stärken, indem sie zusätzliche Kommunikationswege öffnen.

Experten betonen jedoch, dass soziale Medien bewusst und maßvoll genutzt werden sollten – als Ergänzung zum echten Leben, nicht als Ersatz. Rideout empfiehlt etwa, Jugendliche zu ermutigen, „achtsam“ mit Medien umzugehen, sodass sie das Gerät auch beiseitelegen können, wenn unmittelbare zwischenmenschliche Aufmerksamkeit gefragt ist. Letztlich sind sich Fachleute einig: Freundschaften brauchen reale Begegnungen, um wirklich zu gedeihen. Digitale Kanäle sind wertvolle Werkzeuge, um in Verbindung zu bleiben, doch sie ersetzen nicht das menschliche Miteinander. Das Chatten und Posten kann das Treffen auf dem Schulhof vorbereiten und erleichtern – aber niemals vollwertig ersetzen.

Quellen: Study: Teens Would Rather Text With Friends Than Hang Out in Real Life - Business InsiderTeens Are Over Face-to-Face Communication, Study Says | TIME.